Tschernobyl wir kommen…
Aufstehen, Sachen schnappen und
raus zum Auto – wir gingen dann noch die Gössergirls holen und fuhren los
Richtung Prypjat. Nach einer halben Stunde stoppten wir bei einer Tanke und
kauften Frühstück, Kaffee, ein Ciabatta – so in etwa. Nach uns kamen einige
große Busse von Tschernobyl Welcome Tours an – vorwiegend mit Ukrainern
besetzt. Wir fuhren weiter und erreichten den Checkposten bei der 30km
Sperrzone. Pässe raus, Taschen raus… Ich bin dran – auf der Liste steht „Mandl
Alexander“ im Pass steht „Dipl. Ing. Mandl, MBA Alexander Michael“ – das Drama
nimmt seinen Lauf. Der Militärheini, den sie dort zum Pässe kontrollieren
hingestellt haben, macht stress – er will das nicht kapieren – na gut – wenn ich
den drei Jährigen Kindergarten als Ausbildung hätte, würde ich das auch nicht
kapieren wollen. Nach gut 10 Minuten darf ich doch rein und wir schaffen es
gerade mal vor dem Tross von Chernobyl Welcome…
Keine 20 Minuten später sind wir
in Tschernobyl. Der Geigerzähler regt sich kaum und liegt knapp über den
Werten, die wir auch in Österreich haben. Die Stadt selber hatte 12.000
Einwohner, war zwar die Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts aber sonst
eigentlich unbedeutend und wurde auch kaum verstrahlt. Da aber die anderen
nicht verstanden hätten, warum sie bis 30km weg die Gegend räumen mussten und
Tschernobyl nicht geräumt wir, obwohl es eigentlich nahe an der 10km Grenze
liegt, wurde es ebenfalls evakuiert. Hier gibt es vor allem viele vor sich hin
verrottende Einfamilienhäuser und sonst eigentlich nichts Nennenswertes. Weiter
ging es über einen Hafen und irgend ein Haus nach Prypjat. Beim Kindergarten
waren zu viele Busse, so dass Olexandr es auf den nächsten Tag verlegte. Wir
fuhren weiter zum Kühlturm von Reaktor 5. Dieser war, wie der Reaktor selbst,
nur halb fertig gebaut, als die Katastrophe passierte. Die Gegend um den
Kühlturm ist mit 10µS doch vergleichsweise stark verstrahlt. Die Strahlung
nimmt aber mit der Höhe rasch ab. In Kopfhöhe waren es 3, in Hüfthöhe rund 6
und am Boden eben bis zu 10µS.
Der Kühlturm innen sieht imposant
aus, obwohl nur die untere Hälfte gebaut worden ist. Wir machen viele Bilder
und fahren weiter in die Stadt selbst. Am Hauptplatz wird gerade Simon der
Fuchs gefüttert und wir lassen uns das Specktakel nicht entgehen. Das Vieh ist
total zutraulich und wird von den Touristen mit Brot gefüttert. Wir wollen in
ein Haus gehen und Olexandr erklärt uns, dass die Polizei unterwegs sei und wir
nirgends rein könnten. Ich werde sauer und sage, dass Myhail uns das alles versprochen
hätte. Olexandr zickt rum, wir werden lauter- plötzlich behauptet er, dass er
ein Official sei – und wir sowieso zu tun hätten, was er sagt – das reicht
jetzt, Myhail wird angerufen und er rückt Olexandr den Kopf gerade. Wir fahren
zum Krankenhaus und machen aus, dass sie uns anrufen, sollte Polizei kommen –
ist eh sinnlos, im Gebäude haben wir keinen Empfang. Im Krankenhauskeller ist
ein Strahlungshotspott. Dort wurden die Gewänder der Liquidatoren reingeworfen.
Man kann seit ein paar Monaten nicht mehr hinunter, weil die Eingänge mit Sand
zugeschüttet wurden, was ich eigentlich für sinnvoll halte. Wir gehen in den
ersten Stock… hier war die Neugeborenen Station auf der auch einige Kinder
gestorben sind. Die Kinderbetten stehen noch herum. In einem liegt ein kleines
Spielzeug… es sieht gespenstisch aus. Wir mach Fotos mit Gasmaske und Smiley
und schauen und noch andere Räume an, rauf in den zweiten Stock – auch beklemmend.
Wieder raus aus der Bude und weiter zur Kantine des Kraftwerks. Dort erwartet
uns schon ein tolles Mahl aus Stocherkraut, irgendwelchen Kartoffelteilen und
sonstigem Kram. Isa sortiert das Kraut und stochert darin herum – sie wurde
auch zur Namensgeberin des Gerichts. Wieder zum Auto und in die Stadt. Zuerst
geht es zur Musikschule, dann zum Yachtclub und später sehen wir uns noch das
Hallenbad und die Schule an. Im Hallenbad machen wir einige schräge Fotos mit
dem Smiley. Dann noch zum Hauptplatz und wieder zur Nahrungsaufnahme. Wir sind
recht spät dran und müssen uns beeilen. Alle sind schon beim Auto, nur Isa
sortiert noch das Kraut. Mir platzt der Kragen – ich gehe wieder zurück und
hole sie.
Wir gehen zum Bahnhof, besteigen
den Zug durch Weißrussland nach Slawutych und tuckern los. Manfred unterhält
sich mit einer Ukrainerin, die ihm Handyfotos von Häusern aus Prypjat zeigt.
Englisch kann sie nicht – was sich Olexandr gleich zu Nutzen macht und sie
kräftig anbrät. In Slawutych angekommen,
schleifen wir unser Zeug zum einzigen Hotel und bekommen unterwegs auf Umwegen
noch einige Denkmäler erklärt – ALTER! DIREKTER Weg zum Hotel! Morgen Taxi!
Zimmer bezogen, Zeug reingeworfen und stinkend wie eine Yakherde noch was
trinken gegangen. Olexandr erklärt uns eine Tradition, dass jeder einen Toast
mit Wünschen für alle aussprechen muss – Prost – ich wünsche mir für uns, dass
wir in alle Gebäude reinkommen, in die wir rein wollen – der Seitenhieb hat
gesessen.
Wir geben dann dem Guide und dem
Fahrer heute schon das Trinkgeld, einfach um sie für den nächsten Tag besser zu
motivieren. Es sollte tatsächlich klappen. Zurück beim Hotel kommt der Fahrer
mit zwei Flaschen Bier heraus und teilt sie zwischen ihm, Manfred und mir – er ist
echt ein netter Kerl, kann kein Wort Englisch, ist aber sehr bemüht. Jetzt
heißt es wie immer schneller schlafen, ist es ja schon wieder weit nach
Mitternacht.