Samstag, 15. November 2014

Tag 15 – 15.11.2014 – Ruinen und Kühe zählen...

Von Jaipur fuhr ich mit Sorry zuerst nach Fatehpur Sikri, einem alten Fort und Palastkomplex, der nur 15 Jahre lang bewohnt war, weil es schier unmöglich war eine Wasserversorgung aufrecht zu erhalten. Kurz vor der Stadt machten wir bei einer Ziegelbrennerei halt. Die Kinder waren hier absolut nervig. Sie zerrten und zupften an mir herum und grabschten sogar meine Objektive an. Eine Horde Flöhe ist lahm dagegen. Die Arbeitsbedingungen bei der indischen Ziegelbrennerei waren  im Gegensatz zu denen, die ich aus Nepal kenne, human. Zwar arbeiteten auch hier Frauen mit, aber es war bei weitem nicht so staubig wie in Nepal.
Vor den Ruinen war ein Schlangenbeschwörer, dessen zwei Kobras ich mit meiner GoPro ärgerte, bis sie wütend nach der Kamera schnappten. Das Video hochzuladen wird eine spannende Aufgabe. Mit einem Bus ging es dann zum Eingang des alten Palastes. Die Säulenhallen sind sehenswert und mich haben die alten Hamamanlagen mit ihren halb verfallenen Kuppelbauten mehr fasziniert. Laut meinem Guide geht hier kein Tourist her – ich sah auch nicht einmal Einheimische sich die Kuppeln ansehen. Dabei geben diese Formen und Strukturen gerade in Schwarz Weiß extrem gute Fotomotive ab. Nach dem Palastteil sahen wir uns noch die Mosche an. Es war zu Kaiser Akhbars Zeiten die größte Mosche Indiens. Leider sind viele der Fresken nicht mehr erhalten. Die Steinarbeiten und Torbögen sind aber sehr fein gearbeitet und werden nur von den Intarsien beim Taj Mahal übertroffen. Suni mein Guide war echt bemüht und hatte auch ein paar gute Fotolocation Ideen. Am besten gefielen mir aber die Steinernen Fenstergitter bei dem Mausoleum des heiligen Rauschebarts. Sorry – nicht der Fahrer – sorry, tut mir leid, aber wie der moslemische Heilige hieß, habe ich mir nicht gemerkt. Keinem Einheimischen oder Inder schien die Schönheit der Gitter aufzufallen. Alle liefen nur im religiösen Wahn um den Schrein. Nur ein kleines Mädchen sah sich das Gitter an und blickte verträumt in die Welt da draußen. Ob sie sich wohl vorgestellt hat, wie es hier vor 500 Jahren aussah?
In dem Schrein quatschte mich ein Inder an, der der Profifotograf der Stadt war. Er sah aus, wie der junge Gaddhafi – hatte auch so ein kariertes Tuch um den Schädel gewickelt, dicke Lippen und langes, schmieriges Haar. Er wollte wissen womit ich fotografiere – Nikon – und welche? D60? D90? Oje… no much lower number… D4 ssags aber keinem. Er wollte ein paar Bilder sehen. Ich zeigte ihm was von der Galerie auf dem Handy und er holte dann seine Canon Knipse – D50 oder so – keine Ahnung – Canon ist mir zu gefährlich, dagegen bin ich nicht geimpft. Seine Bilder waren – na ja – schlimm. Vor allem die Hochzeit, die er fotografiert hatte. Alle Portraits waren im indischen Stil gemacht. Frontal, knapp unter dem Knie abgeschnitten und viel Raum rund herum. Meine Omma würde sie mögen, weil sie ihren Stil wieder erkennen würde. Er fragte mich, ob er von mir lernen könne. Na bitte nicht – was soll ich dir beibringen? Ist ja nett gemeint – aber bei dir ist Hopfen und Malz verloren, da ist sogar das Sechsfinger Bärli aus Bad Sauerlach besser. Zurück zum Auto gingen wir zu Fuß, weil der Bus voll war und ich nicht warten wollte – ja sind aber 1,5km meinte Suni. Na extrem. Das schaffen wir nie…
Wieder beim Auto fuhr ich mit Sorry los – ich fragte ihn ober schon gelyncht hat – yes lunch. Heißt das nun du hast schon oder du hast schon No? Drei Minuten später sollte ich es wissen. Wir hielten wieder an so einer Touristentränke. Ich sagte, dass ich im Auto bleiben würde. Sorry ging zum Trog, Reis essen. Da humpelte ein Junger Bettler zur Seitenscheibe und nervte rum. Er klopfte und kratzte an der Scheibe, bis ich „Nei Yello“ was so viel wie Nein, Hau ab heißt, brüllte. Er zog Leine und setzte sich wieder 10 Meter weit weg auf die Mauer. Ich stieg aus und sah in mir an. Da tat er mir echt leid. Er wollte irgendeinen Scheiß verkaufen, hatte einen verstümmelten Fuß, sah aber sonst ganz gepflegt aus. Irgendwie echt ein armes Schwein. So um die 15 Jahre alt – sollte er eigentlich in der Schule sitzen oder mit den Kumpels Cricket spielen. Er muss aber seinen Lebensunterhalt selber verdienen. Ich redete mit ihm und gab ihm 50Rupees. Er erzählte mir, dass er aus Agra kommt und jeden Tag hier her fährt. Hier sei viel weniger Konkurrenz. Verblüffender Weise sprach er echt gut Englisch – ich sagte ihm das und er meinte – yes, German, Spanisch, Russian. Überall hatte er einige Sachen drauf. Schade um ihn – sein Leben ist echt verpfuscht. Trotzdem hatte er ein freundliches Lächeln und war gut gelaunt. Jetzt kam ich mir echt mies vor, dass ich ihn vorher so angeschrien hatte.
In Agra bezog ich das Hotel. Meine Zimmertür sollte leider in Richtung Hotellobby zeigen. Am Abend merkte ich, was das hieß. Im Partyraum zwei Stock tiefer im Keller feierte eine Horde Inder mit vielen Kindern irgendein Fest. Die Kinder waren eine Katastrophe – es war extrem laut. Ich rief bei der Rezeption an und forderte sie auf den Lärm abzustellen – nix. Der Inder, der das Zimmer neben mir hatte, kam auf die gleiche Idee und polterte auf den Flur. Er brüllte die Kinder auf Hindi zusammen und auch den Manager, den ich vorher schon Gas gegeben hatte. Gebracht hat es wenig. Nur weiß ich jetzt in welchen Zimmern sie wohnen. Na wartet. Ich fahre morgen um 0500 auf die andere Seite vom Taj Mahal – da werde ich euch alle vorher aufwecken und an eure Zimmertüren dreschen. Ja ich kann sauer werden.

Um kurz vor Mitternacht sollte auch noch mein Telefon klingeln. Irgendein irrer, besoffener Inder hatte sich verwählt. Ich legte auf. Schon wieder klingelte es. Ich fragte auf Englisch was er wolle – nur Hindi Gestammel – OK rede Englisch oder lass mich in Ruhe. Ich lege auf, es klingelt… ich lasse hebe ab und sage nichts – ein komischer Hindimonolog auf der anderen Seite. Nach fünf Minuten lege ich auf. Es klingelt wieder – jetzt rede ich Hindi – ich zähle – nicht Schafe, sondern Kühe. Ich kann bis 10 Zählen und weiß, dass Nandi Kuh heißt. Eg Nandi, do nandi und dann wieder mmmmuuuuuhhh… das ist dem Inder doch nicht mehr geheuer – er legt auf. Ich rufe zurück – tin nadi, char nandi… er legt auf. Ich ruf ihn noch einmal an und muhe weiter – er schaltet sein Telefon aus, weil plötzlich ist er nicht mehr erreichbar.