Sonntag, 23. November 2014

Tag 23 – 23.11.2014 – Und ewig brennen die Feuer – oder zwischen Wasserleichen und nervenden Indern…

Varanasi – die heilige Stadt am Ganges oder wie die Hindus sage – die ewige Stadt. Varanasi ist ein Ort zwischen religösem Wahnsinn und genialer Schönheit durch ihre Lage zwischen Varuna, Asi und Ganges. Kashi war eigentlich der Alte Name der Stadt. Später wurde er zu Varanasi und die Briten machten daraus Benares. Ich bleibe bei der Indischen Version. Um 0545 ging es mit dem Taxi zum Hauptghat – von dort sollte ich ein Boot besteigen und den Sonnenaufgang am Ganges ansehen. Da hat Varun aber die Rechnung ohne mich gemacht. Der Sonnenaufgang wird von einem der Ghats aus angesehen und mit Stativ fotografiert – dann können wir vielleicht ein Boot besteigen. Gesagt getan machte ich einige coole Fotos und sah dem bunten Treiben am Morgen zu. Unzählige Menschen wuschen sich bei doch nicht so freundlichen Temperaturen in der Gangeskloake. Dass sie dieses Wasser auch als Trinkwasser verwenden ist schon recht heftig. Ein Europäer würde bei dessen Konsum sicher Ebola, Cholera und die Vogelgrippe in Kombination mit der Pest bekommen. Ein Priester führte wieder irgendwelche Rituale mit einem Kerzenleuchter durch. Einigen Männern wurde der Kopf rasiert. Es wird einem hier nie fad. Endlich aus Varuns sicht bestieg der depperte Europäer den Kahn. Ein Indisches Znierchterl musste in die Riemen. Ruder du Schlaffi. Ich will heute noch bei den Leichenverbrennungen ankommen. Leg dich ins Zeug, sonst hole ich meine Bullenpeitschen App heraus und mach dir virtuellen Dampf unter deinem realen A..
Varun meinte zu mir ich solle mich umdrehen und zu einem vertauten Boot schauen. Ich war zu sehr mit den Dhobi Brüdern – den Männern, die am Flussufer die Wäsche waschen, beschäftigt, als dass ich es selbst gesehen hätte. Hinter dem Boot hatte sich eine aufgedunsene Wasserleiche in den Tauen verfangen. Der Körper sah heftig aus. Hindus werden nach dem Tod prinzipiell verbrannt, außer sie starben durch einen Schlangenbiss oder waren Mörder. Verrückt oder auch abartig ist, dass keine zwanzig Meter entfernt von der aufgeblähten Leiche die Wäsche gewaschen wird oder auch Menschen im Ganges Baden. Ich bringe meine Wäsche heute nicht zum Laundry Service. Die werden meine Unterhosen nicht neben einer Wasserleiche waschen!
Beim kleineren Ghat wird man beim Fotografieren nicht angeblökt. Für mich sind diese Dinge aber nichts Neues mehr und habe ihren Reiz verloren. Es ist ein zu normales Ritual und gehört zum Indischen Leben einfach dazu.
Der Bootsheini wendete den Kahn und ruderte zum anderen Ghat. Dort brennen Tag ein Tag aus die Feuer. Rund 150 Leichen werden am Tag verbrannt. Im Schnitt braucht man für drei Leichen einen Baum. Also kann man eigentlich auch Varanasi für die Abholzung der Wälder verantwortlich machen. 300-500 kg Holz pro Leiche – le nachdem wie Fett die Person war – meinte Varun. Na ja – Fett sollte eigentlich gut brennen. Vielleicht steht das Gewicht auch in reziproker Relation zum Holzverbrauch. Da ich aber nicht zu den Ghats darf, kann ich diese Studie auch nicht durchführen. Mir ist auch nicht wirklich danach, kommen wir gerade an einer Wand vorbei an der Bilder von Toten hängen. Nicht die Bilder vom Totenbett, sondern nach dem letzten Ritual am Gangesufer. Da wird ihnen der Mund geöffnet und mit Gangeswasser gewaschen. Die Fotos sehen nicht gut aus.  Ich frage was das solle. Varun meinte: Advertisement! – Werbung?! Wofür??? – 10 Meter weiter weiß ich es – es ist ein Fotostudio an dessen Tür noch viel mehr dieser Abscheulichkeiten kleben. Es macht Werbung für die letzten Fotos, weil Selfies können sie ja keine mehr machen. Nein das finde ich echt abartig. Varun meint, dass sich Inder so an ihre Verblichenen erinnern wollen. Ich mach euch gerne ein GoPro Video von der Verbrennung und ein Closeup vom Schädel, wenn der durch die Hitze aufplatzt. Ihr seid echt wahnsinnig. Weiter ging es durch schmale Gassen zum goldenen Tempel. Der Hindutempel liegt genau neben einer Moschee. Die Moschee ist für Hindus schon seit je her ein Stein des Anstoßes. Sie wurde vor einigen Jahrhunderten auf den Resten eines Hindutempels errichtet. Diese Tatsache trägt nicht gerade zur Verständigung der beiden Religionsgruppen bei. Beide Bereiche werden streng vom Militär überwacht. Vielleicht auch, weil hier in der Nähe vor vier Jahren auch eine Bombe explodiert ist. Ich komme um eine Ecke und fünf schwer bewaffnete Soldaten in Kugelsicheren Westen stehen da – ich mache ein Foto und frage sie, ob wir nun Pakistan betreten und das die Whaga Border sei? (Grenzübergang zwischen Lahore und Amritsar). Wirklich Lachen können sie über meinen Gassenhauer nicht.
Vor dem goldenen Tempel muss ich alles Metal, jegliche Elektronik und der gleichen abgeben. Ja das Pfefferspray ruft auch allergische Reaktionen beim Wachpersonal hervor. Schlussendlich darf ich rein und mir von außen, wie alle anderen Nichthindus auch. Das Tempeldach ansehen – na super. Das in Kathmandu sieht besser aus.
Want to buy Postcard? Singing Bowl? Hash?? Tönt es mir draußen wieder in die Ohren. Hash? Warte ich kenn da jemand von der Whaga Border – genau genommen fünfe – die stehen darauf. Der Delaer will nicht mitkommen…  
Auf dem Weg zum Auto sehe ich noch Schüsseln mit gelbem Schaum. Das sei ein Frühstück aus Milchschaum mit Kardamon, Pinien und anderen Gewürzen. Es wird sofort probiert. Varun schüttelt ungläubig den Kopf und meint ich sei verrückt, dass ich wie sie, von den Straßenküchen esse. Warum nicht? Was euch nicht umbringt, macht mich nur härter.
Frühstück, Bilder runter laden und um 1000 los Richtung Sarnath. Hier hatte Buddha seine erste Lehre gegeben. Es ist ein uralter Buddhistischer Tempelkomplex, der während der Moguln Zeit in Vergessenheit geraten ist und erst später wieder entdeckt wurde. Mittlerweilen ist er einer der vier heiligsten Orte der Buddhisten. Laut Varun liegt auch Lumbini, der Geburtsort von Sidharta in Indien. Die Nepalesen werden da was dagegen haben. Was soll es. Sehenswert ist nur die Spitze der Ashoka Säule in Museum. König Ashoka war der bedeutendste König Indiens. Er lebte vor rund 2500 Jahren und war verantwortlich, dass sich der Buddhismus verbreitete. Die Säule zieren vier Löwen. Genau dieses Bild ist auch auf der Indischen Flagge zu sehen.
Im Tempel machte ich Fotos und wurde von einer Inderin angesprochen. Wie es sich herausstellte kam sie mit einer großen Gruppe von einem Dorf aus dem Auenland – sie mussten dazu die Ebenen von Mordor durchqueren und nahmen einige Strapazen auf sich den Tempel zu besuchen und jetzt wollen sie Andenkenfotos und wollen wissen, was die bei mir kosten? Gibt es im Auenland E-Mail? Nö… Post? Nö… ja dann bin ich der Falsche. Sie hatten trotzdem eine Freude, dass ich sie fotografierte, fanden aber auch noch einen indischen Profiknipser.
Beim Tempel viel mir noch auf, dass die Händler dauernd zur Stupa liefen und die Lotusblüten einsammelten. Reselling meinte Varun. Die Schweinepriester verkaufen Blumen, um sie kurz nachdem sie die Käufer bei der Stupa zu Ehren Buddhas abgelegt haben, wieder einzusammeln. Ein Mönch ignorierte das Schild auf dem Stand, man dürfe kein Blattgold auf die Mauer reiben und verewigte sich mit ein paar Briefchen Blattgold.
Kurz danach saßen ein paar Bettlerinnen hinterm Zaun. Im Großen und Ganzen ist der Ort OK aber kein must See. Von dort fuhren wir weiter nach Ramnagar – hier soll es ein Fort und ein Museum geben. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Markt vorbei. Stopp! Anhalten! Fotos! Und los… Ich machte keine drei Bilder schon war ich mitten im Geschehen. Jeder wollte wieder fotografiert werden. Es brach eine Challenge aus, wen ich fotografiere und wen nicht. Manchmal können sie auf eine witzige Art und weiße nett sein.
Kurz nach dem Markt kamen wir zu einer Brücke über den Varuna und daneben war gleich eine große Müllhalde. Vermutlich warten sie auf das nächste Hochwasser, das den Dreck dann ins Meer transportiert. In Ramnagar angekommen, trafen wir auf eine Filmcrew aus Bollywood, die hier drehten. Irgendein wichtiger Bollywoodstar lief mir auch in die Arme. Sah aus wie ein italienischer Zuhälter. Hemd weit offen, Sonnenbrille, lange schmierige Haare und Dreitagesbart. Is this Mr Playmobile fragte ich Varun – yes he is ?!? Singh a famous Bollywood actor. Na schön ich fotografiere lieber den runzligen Alten hinter dir. Irgendwie stoppte er kurz, da er dachte ich wolle ihn fotografieren und war dann irritiert, dass ich ihn komplett ignorierte. Oje… armer schwarzer Kater.
Das Museum ist zum Schmeißen. Eigentlich ein Beispiel dafür wie man es nicht machen sollte. Alle Exponate verstauben in ihren Schaukästen, werden nicht gepflegt und sind in einem erbärmlichen Zustand. Die Autosammlung schaut aus wie der Schrottplatz vom Aixner in Klagenfurt. Am interessantesten sind noch die Fließen mit den Götzenbildern, die sie in den Ecken angebracht haben. An den Wänden hängen nämlich: Do not spit! Schilder. Die Bilder sollen die Hindus abhalten, ihren Beetelkau in die Ecken zu spucken. Was die Hindus abhält ist aber die beste Zielscheibe für die Moslems. So ist es kein Wunder, dass die Ecken und die Bilder vollgespuckt sind und überall dunkelroter Schmodder an der Wand klebt. Ihr seid echt kleinkarierte Idioten. Ab zum Hotel meinen Rucksack deponieren und dann soll mich Sahel in die Stadt bringen. Ich will mir noch etwas die Ghats ansehen. Gesagt getan, fahren wir los. Ich verlasse wenig später das Auto und gehe Richtung Ganges. Jeder Heini fragt mich von wo ich komme. Ich lebe in Delhi und kenne Varanasi schon gut. You are Indian? Ja ich bin Indianer – Hau ich haben gesprochen!
Ich fotografiere einen Sadhu da kommt schon wieder irgendein Möchtegern daher gestürmt und schreit 100Dolla. Alter jetzt reicht‘s. Ich schieße auf ihn zu und beuge mich auf 10 Zentimeter zu ihm. Schau ihm in die Augen und frage ihn barsch: What are you asking me? Who are you to talk to me? – Er bricht sofort ein und meint Sorry. No you are not Sorry. Sorry is in Punjab now! At a wedding. Der Möchtegern möchte jetzt gerne weit weg sein und verpisst sich.
Ich kann nun in Ruhe weiter meine Sadhus fotografieren und werfe ihnen immer brav 10 Rupees ins Körbchen. Mehr gibt es nicht.
Kurz vor dem Fluss sitzen die Bettler wieder Spalier. Ich gehe das Ufer entlang, treffe einige Sadhus und zwei Schlangenbeschwörer mit schönen Kobras. Dann gehe ich noch bootfahren mit einem Jungen. Er legt sich mächtig ins Zeug und entdeckt beim Zurückfahren zwei Schnüre von Drachen, die die Kinder vom Ufer aus steigen lassen und die teilweise bis zum anderen Ufer des Ganges kommen. Beim aktuellen Wasserstand sind das immerhin rund 500 Meter! Der Kleine fragt ob er sie holen dürfe. Klar. Das ist jetzt so ein Moment, wo er wieder ganz Kind sein kann und die Arbeit und das harte Leben um sich vergisst. Mit einer Hingabe zieht er an den Schnüren und holt mit einer kindlichen Freude den ersten Drachen ein. Den zweiten bindet er am Boot fest und zieht ihn hinterher. Immer wieder zupft er zwischendurch an der Leine, damit der Drache wieder schön steigt.
Wieder am Ufer, kaufe ich noch ein paar Samosas und nehme ein Tuktuk zum Hotel 150 ist der Lokalpreis meinte zuvor Varun. 300 will der Rauschebart-Taliban haben. Nein 150. Wir einigen uns auf 200. Er fährt wie ein Irrer los. Einer Fahrradrikscha vor uns fährt er dreimal hinten rein, bis sie endlich ausweicht. Kurz vor dem Hotel meint er, er könne nicht in die Straße fahren, weil eine Polizei Sperre sei. Ich meine No – Hotel. Er fährt um den Block und probiert es in der anderen Richtung. Ich bin mir nicht sicher ob es die richtige Straße ist und meine Hotel! – Er no Police. Ich steige aus und gebe ihm 150 Rupee – Not at Hotel! Er ist sauer – ich aber auch. Nun laufe ich los und komme tatsächlich 5 Minuten später beim Hotel an – zuvor überholte ich noch eine christliche Prozession samt Monstranz. Ohm Mani Padme Hum. Na super.
Bilder runter laden, duschen und so weiter. Windows überlistet mich. Ich verschiebe rund 600 Bilder von einem Chip auf den Rechner. Im Zielordner sind auch ein paar Dateien, die ich löschen will. Ich markiere diese und drücke auf Shift Entf Enter. Genau in dem Moment ist aber Windows mit dem Verschieben fertig und markiert die gerade eingefügten Dateien. Und weg sind sie – permanent – weil Shift Entf endgültig löscht. AAAAHHHH ich krieg die Kriese. Wiederherstellung auf einer SSD ist zum Vergessen, weil nach einem Shift Entf sofort der Speicherfreigabeprozess läuft und die Dateien wirklich weg sind!
Ich kaufe mir ein Softwarepaket zur Datenrettung auf Speicherkarten. Das Ding kostet 19€ und schafft es gerade mal 52 von 600 Dateien wieder herzustellen. Den Rest rekonstruiert es zwar, Nikon erkennt aber das NEF Format nicht mehr und damit sind sie Datenmüll. Ich google, finde ein paar Freeware Produkte, die alle nichts taugen und dann von Klix um 19€ eine andere Software. Siehe Da das Ding schafft es alle Bilder auf der Speicherkarte wiederherzustellen!
Jetzt möchte ich fast eine Umfrage auf Facebook starten – was ist schlimmer – eine Wasserleiche neben dem Boot vorbeitreiben sehen oder die Bilder eines Shootings zu schreddern?

Ich kenne die Antwort meiner meisten Freunde.