Varanasi – die heilige
Stadt am Ganges oder wie die Hindus sage – die ewige Stadt. Varanasi ist ein
Ort zwischen religösem Wahnsinn und genialer Schönheit durch ihre Lage zwischen
Varuna, Asi und Ganges. Kashi war eigentlich der Alte Name der Stadt. Später
wurde er zu Varanasi und die Briten machten daraus Benares. Ich bleibe bei der
Indischen Version. Um 0545 ging es mit dem Taxi zum Hauptghat – von dort sollte
ich ein Boot besteigen und den Sonnenaufgang am Ganges ansehen. Da hat Varun
aber die Rechnung ohne mich gemacht. Der Sonnenaufgang wird von einem der Ghats
aus angesehen und mit Stativ fotografiert – dann können wir vielleicht ein Boot
besteigen. Gesagt getan machte ich einige coole Fotos und sah dem bunten
Treiben am Morgen zu. Unzählige Menschen wuschen sich bei doch nicht so
freundlichen Temperaturen in der Gangeskloake. Dass sie dieses Wasser auch als
Trinkwasser verwenden ist schon recht heftig. Ein Europäer würde bei dessen
Konsum sicher Ebola, Cholera und die Vogelgrippe in Kombination mit der Pest
bekommen. Ein Priester führte wieder irgendwelche Rituale mit einem
Kerzenleuchter durch. Einigen Männern wurde der Kopf rasiert. Es wird einem
hier nie fad. Endlich aus Varuns sicht bestieg der depperte Europäer den Kahn.
Ein Indisches Znierchterl musste in die Riemen. Ruder du Schlaffi. Ich will heute
noch bei den Leichenverbrennungen ankommen. Leg dich ins Zeug, sonst hole ich
meine Bullenpeitschen App heraus und mach dir virtuellen Dampf unter deinem
realen A..
Varun meinte zu mir
ich solle mich umdrehen und zu einem vertauten Boot schauen. Ich war zu sehr
mit den Dhobi Brüdern – den Männern, die am Flussufer die Wäsche waschen,
beschäftigt, als dass ich es selbst gesehen hätte. Hinter dem Boot hatte sich
eine aufgedunsene Wasserleiche in den Tauen verfangen. Der Körper sah heftig
aus. Hindus werden nach dem Tod prinzipiell verbrannt, außer sie starben durch
einen Schlangenbiss oder waren Mörder. Verrückt oder auch abartig ist, dass
keine zwanzig Meter entfernt von der aufgeblähten Leiche die Wäsche gewaschen
wird oder auch Menschen im Ganges Baden. Ich bringe meine Wäsche heute nicht
zum Laundry Service. Die werden meine Unterhosen nicht neben einer Wasserleiche
waschen!
Beim kleineren Ghat
wird man beim Fotografieren nicht angeblökt. Für mich sind diese Dinge aber
nichts Neues mehr und habe ihren Reiz verloren. Es ist ein zu normales Ritual
und gehört zum Indischen Leben einfach dazu.
Der Bootsheini
wendete den Kahn und ruderte zum anderen Ghat. Dort brennen Tag ein Tag aus die
Feuer. Rund 150 Leichen werden am Tag verbrannt. Im Schnitt braucht man für
drei Leichen einen Baum. Also kann man eigentlich auch Varanasi für die
Abholzung der Wälder verantwortlich machen. 300-500 kg Holz pro Leiche – le nachdem
wie Fett die Person war – meinte Varun. Na ja – Fett sollte eigentlich gut
brennen. Vielleicht steht das Gewicht auch in reziproker Relation zum Holzverbrauch.
Da ich aber nicht zu den Ghats darf, kann ich diese Studie auch nicht
durchführen. Mir ist auch nicht wirklich danach, kommen wir gerade an einer
Wand vorbei an der Bilder von Toten hängen. Nicht die Bilder vom Totenbett,
sondern nach dem letzten Ritual am Gangesufer. Da wird ihnen der Mund geöffnet
und mit Gangeswasser gewaschen. Die Fotos sehen nicht gut aus. Ich frage was das solle. Varun meinte:
Advertisement! – Werbung?! Wofür??? – 10 Meter weiter weiß ich es – es ist ein
Fotostudio an dessen Tür noch viel mehr dieser Abscheulichkeiten kleben. Es
macht Werbung für die letzten Fotos, weil Selfies können sie ja keine mehr
machen. Nein das finde ich echt abartig. Varun meint, dass sich Inder so an
ihre Verblichenen erinnern wollen. Ich mach euch gerne ein GoPro Video von der
Verbrennung und ein Closeup vom Schädel, wenn der durch die Hitze aufplatzt.
Ihr seid echt wahnsinnig. Weiter ging es durch schmale Gassen zum goldenen
Tempel. Der Hindutempel liegt genau neben einer Moschee. Die Moschee ist für
Hindus schon seit je her ein Stein des Anstoßes. Sie wurde vor einigen
Jahrhunderten auf den Resten eines Hindutempels errichtet. Diese Tatsache trägt
nicht gerade zur Verständigung der beiden Religionsgruppen bei. Beide Bereiche
werden streng vom Militär überwacht. Vielleicht auch, weil hier in der Nähe vor
vier Jahren auch eine Bombe explodiert ist. Ich komme um eine Ecke und fünf
schwer bewaffnete Soldaten in Kugelsicheren Westen stehen da – ich mache ein
Foto und frage sie, ob wir nun Pakistan betreten und das die Whaga Border sei?
(Grenzübergang zwischen Lahore und Amritsar). Wirklich Lachen können sie über
meinen Gassenhauer nicht.
Vor dem goldenen
Tempel muss ich alles Metal, jegliche Elektronik und der gleichen abgeben. Ja das
Pfefferspray ruft auch allergische Reaktionen beim Wachpersonal hervor. Schlussendlich
darf ich rein und mir von außen, wie alle anderen Nichthindus auch. Das Tempeldach
ansehen – na super. Das in Kathmandu sieht besser aus.
Want to buy Postcard? Singing Bowl? Hash?? Tönt es mir draußen wieder in die Ohren. Hash?
Warte ich kenn da jemand von der Whaga Border – genau genommen fünfe – die stehen
darauf. Der Delaer will nicht mitkommen…
Auf dem Weg zum Auto
sehe ich noch Schüsseln mit gelbem Schaum. Das sei ein Frühstück aus
Milchschaum mit Kardamon, Pinien und anderen Gewürzen. Es wird sofort probiert.
Varun schüttelt ungläubig den Kopf und meint ich sei verrückt, dass ich wie
sie, von den Straßenküchen esse. Warum nicht? Was euch nicht umbringt, macht
mich nur härter.
Frühstück, Bilder
runter laden und um 1000 los Richtung Sarnath. Hier hatte Buddha seine erste
Lehre gegeben. Es ist ein uralter Buddhistischer Tempelkomplex, der während der
Moguln Zeit in Vergessenheit geraten ist und erst später wieder entdeckt wurde.
Mittlerweilen ist er einer der vier heiligsten Orte der Buddhisten. Laut Varun
liegt auch Lumbini, der Geburtsort von Sidharta in Indien. Die Nepalesen werden
da was dagegen haben. Was soll es. Sehenswert ist nur die Spitze der Ashoka
Säule in Museum. König Ashoka war der bedeutendste König Indiens. Er lebte vor
rund 2500 Jahren und war verantwortlich, dass sich der Buddhismus verbreitete.
Die Säule zieren vier Löwen. Genau dieses Bild ist auch auf der Indischen
Flagge zu sehen.
Im Tempel machte ich
Fotos und wurde von einer Inderin angesprochen. Wie es sich herausstellte kam
sie mit einer großen Gruppe von einem Dorf aus dem Auenland – sie mussten dazu
die Ebenen von Mordor durchqueren und nahmen einige Strapazen auf sich den
Tempel zu besuchen und jetzt wollen sie Andenkenfotos und wollen wissen, was
die bei mir kosten? Gibt es im Auenland E-Mail? Nö… Post? Nö… ja dann bin ich
der Falsche. Sie hatten trotzdem eine Freude, dass ich sie fotografierte,
fanden aber auch noch einen indischen Profiknipser.
Beim Tempel viel mir
noch auf, dass die Händler dauernd zur Stupa liefen und die Lotusblüten
einsammelten. Reselling meinte Varun. Die Schweinepriester verkaufen Blumen, um
sie kurz nachdem sie die Käufer bei der Stupa zu Ehren Buddhas abgelegt haben,
wieder einzusammeln. Ein Mönch ignorierte das Schild auf dem Stand, man dürfe
kein Blattgold auf die Mauer reiben und verewigte sich mit ein paar Briefchen
Blattgold.
Kurz danach saßen ein
paar Bettlerinnen hinterm Zaun. Im Großen und Ganzen ist der Ort OK aber kein
must See. Von dort fuhren wir weiter nach Ramnagar – hier soll es ein Fort und
ein Museum geben. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Markt vorbei. Stopp!
Anhalten! Fotos! Und los… Ich machte keine drei Bilder schon war ich mitten im
Geschehen. Jeder wollte wieder fotografiert werden. Es brach eine Challenge
aus, wen ich fotografiere und wen nicht. Manchmal können sie auf eine witzige
Art und weiße nett sein.
Kurz nach dem Markt
kamen wir zu einer Brücke über den Varuna und daneben war gleich eine große
Müllhalde. Vermutlich warten sie auf das nächste Hochwasser, das den Dreck dann
ins Meer transportiert. In Ramnagar angekommen, trafen wir auf eine Filmcrew
aus Bollywood, die hier drehten. Irgendein wichtiger Bollywoodstar lief mir
auch in die Arme. Sah aus wie ein italienischer Zuhälter. Hemd weit offen,
Sonnenbrille, lange schmierige Haare und Dreitagesbart. Is this Mr Playmobile
fragte ich Varun – yes he is ?!? Singh a famous Bollywood actor. Na schön ich
fotografiere lieber den runzligen Alten hinter dir. Irgendwie stoppte er kurz,
da er dachte ich wolle ihn fotografieren und war dann irritiert, dass ich ihn
komplett ignorierte. Oje… armer schwarzer Kater.
Das Museum ist zum
Schmeißen. Eigentlich ein Beispiel dafür wie man es nicht machen sollte. Alle
Exponate verstauben in ihren Schaukästen, werden nicht gepflegt und sind in
einem erbärmlichen Zustand. Die Autosammlung schaut aus wie der Schrottplatz
vom Aixner in Klagenfurt. Am interessantesten sind noch die Fließen mit den
Götzenbildern, die sie in den Ecken angebracht haben. An den Wänden hängen
nämlich: Do not spit! Schilder. Die Bilder sollen die Hindus abhalten, ihren
Beetelkau in die Ecken zu spucken. Was die Hindus abhält ist aber die beste
Zielscheibe für die Moslems. So ist es kein Wunder, dass die Ecken und die
Bilder vollgespuckt sind und überall dunkelroter Schmodder an der Wand klebt.
Ihr seid echt kleinkarierte Idioten. Ab zum Hotel meinen Rucksack deponieren
und dann soll mich Sahel in die Stadt bringen. Ich will mir noch etwas die
Ghats ansehen. Gesagt getan, fahren wir los. Ich verlasse wenig später das Auto
und gehe Richtung Ganges. Jeder Heini fragt mich von wo ich komme. Ich lebe in
Delhi und kenne Varanasi schon gut. You are Indian? Ja ich bin Indianer – Hau ich
haben gesprochen!
Ich fotografiere
einen Sadhu da kommt schon wieder irgendein Möchtegern daher gestürmt und
schreit 100Dolla. Alter jetzt reicht‘s. Ich schieße auf ihn zu und beuge mich
auf 10 Zentimeter zu ihm. Schau ihm in die Augen und frage ihn barsch: What are
you asking me? Who are you to talk
to me? – Er bricht sofort ein und meint Sorry. No you are not Sorry. Sorry is
in Punjab now! At a wedding. Der Möchtegern möchte
jetzt gerne weit weg sein und verpisst sich.
Ich kann nun in Ruhe
weiter meine Sadhus fotografieren und werfe ihnen immer brav 10 Rupees ins
Körbchen. Mehr gibt es nicht.
Kurz vor dem Fluss
sitzen die Bettler wieder Spalier. Ich gehe das Ufer entlang, treffe einige
Sadhus und zwei Schlangenbeschwörer mit schönen Kobras. Dann gehe ich noch
bootfahren mit einem Jungen. Er legt sich mächtig ins Zeug und entdeckt beim
Zurückfahren zwei Schnüre von Drachen, die die Kinder vom Ufer aus steigen
lassen und die teilweise bis zum anderen Ufer des Ganges kommen. Beim aktuellen
Wasserstand sind das immerhin rund 500 Meter! Der Kleine fragt ob er sie holen
dürfe. Klar. Das ist jetzt so ein Moment, wo er wieder ganz Kind sein kann und
die Arbeit und das harte Leben um sich vergisst. Mit einer Hingabe zieht er an
den Schnüren und holt mit einer kindlichen Freude den ersten Drachen ein. Den zweiten
bindet er am Boot fest und zieht ihn hinterher. Immer wieder zupft er
zwischendurch an der Leine, damit der Drache wieder schön steigt.
Wieder am Ufer, kaufe
ich noch ein paar Samosas und nehme ein Tuktuk zum Hotel 150 ist der Lokalpreis
meinte zuvor Varun. 300 will der Rauschebart-Taliban haben. Nein 150. Wir
einigen uns auf 200. Er fährt wie ein Irrer los. Einer Fahrradrikscha vor uns
fährt er dreimal hinten rein, bis sie endlich ausweicht. Kurz vor dem Hotel
meint er, er könne nicht in die Straße fahren, weil eine Polizei Sperre sei.
Ich meine No – Hotel. Er fährt um den Block und probiert es in der anderen
Richtung. Ich bin mir nicht sicher ob es die richtige Straße ist und meine
Hotel! – Er no Police. Ich steige aus und gebe ihm 150 Rupee – Not at Hotel! Er
ist sauer – ich aber auch. Nun laufe ich los und komme tatsächlich 5 Minuten
später beim Hotel an – zuvor überholte ich noch eine christliche Prozession
samt Monstranz. Ohm Mani Padme Hum. Na super.
Bilder runter laden,
duschen und so weiter. Windows überlistet mich. Ich verschiebe rund 600 Bilder
von einem Chip auf den Rechner. Im Zielordner sind auch ein paar Dateien, die
ich löschen will. Ich markiere diese und drücke auf Shift Entf Enter. Genau in
dem Moment ist aber Windows mit dem Verschieben fertig und markiert die gerade
eingefügten Dateien. Und weg sind sie – permanent – weil Shift Entf endgültig
löscht. AAAAHHHH ich krieg die Kriese. Wiederherstellung auf einer SSD ist zum
Vergessen, weil nach einem Shift Entf sofort der Speicherfreigabeprozess läuft
und die Dateien wirklich weg sind!
Ich kaufe mir ein
Softwarepaket zur Datenrettung auf Speicherkarten. Das Ding kostet 19€ und
schafft es gerade mal 52 von 600 Dateien wieder herzustellen. Den Rest
rekonstruiert es zwar, Nikon erkennt aber das NEF Format nicht mehr und damit sind
sie Datenmüll. Ich google, finde ein paar Freeware Produkte, die alle nichts
taugen und dann von Klix um 19€ eine andere Software. Siehe Da das Ding schafft
es alle Bilder auf der Speicherkarte wiederherzustellen!
Jetzt möchte ich fast
eine Umfrage auf Facebook starten – was ist schlimmer – eine Wasserleiche neben
dem Boot vorbeitreiben sehen oder die Bilder eines Shootings zu schreddern?
Ich kenne die Antwort
meiner meisten Freunde.