Freitag, 7. November 2014

Tag 5 – 05.11.2014 – Ratten zertrampeln oder Inder zerdrücken?

Irgendwie haben die im Reisebüro Mist gebaut und geschrieben, dass es von Pushkar nach Bikaner nur 2 Stunden dauert und es rund 70km sind. Es sind aber gut 250km und die Fahrt dauert mindestens 5 Stunden. Ich habe leider auch nicht nachgedacht und so den Vorschlag von Sorry um 0800 zu starten gleich mal über den Haufen geworfen und gemeint – it is URLAUB nix da – 1000. Um 1000 eierten wir los. Es ging über staubige Straßen oder besser gesagt durch eine schier unendliche Aneinanderreihung von Schlaglöchern in Richtung Bikaner. Unterwegs gibt es eine Stadt Namens Nagur – an der sollten wir eigentlich nur vorbei fahren. Ich habe aber am Abend noch ein paar Sachen auf der Route gegoogelt und gemeint – wir machen dort Mittagspause. Sorry meinte, er kenne vor der Stadt eine super Touristenkneipe. NEIN ins Zentrum will ich und zwar ins Alte – mit dem Fort und der Mosche. Gesagt getan, waren wir kurz vor 1400 beim Delhi Gate von Nagaur. Ich stiefelte gleich los und fand gleich viele Freunde. So wie es den Anschein hatte, war ich der einzige Ausländer, der sich dort hin verirrt hatte. Stand ja auch im Reiseführer, dass nur ganz wenige dort stehen bleiben, was schade ist. Die Altstadt ist von einer mächtigen Mauer umgeben, von der man nur mehr das Delhi Gate gut erkennen kann. In der Nähe der Mosche ist noch ein muslimischer Friedhof für irgendwelche Würdenträger – muss ich im Hotel googeln. Einmal Im Jahr – irgendwann im Jänner oder Februar – wird ja durch den Mondkalender bestimmt – ist hier auch ein vier tägiger Kamelmarkt. Das Nagaur Mela.
Bei Der Mosche wollten einige, dass ich sie fotografiere und dann auch Fotos von sich mit mir machen. Hinter der Mosche befindet sich ein großer Teich, um den sich malerisch die Häuser der Stadt schmiegen. Es hätte mich geärgert, wenn ich hier nicht stehen geblieben wäre. Vom Ufer des kleinen Sees erblickte ich eine zweite Mosche, zu der ich auch noch ging. Hier gibt es eine Madrassa (Koranschule) Die Kinder hatten ihre Gaudi und ihre Lehrer waren echt freundlich. Schuhe aus, füße waschen und rein. Eine Reihe Kinder wusch sich auch gerade die Füße – auf die Fotos bin ich mal gespannt. Die Lehrer luden mich dann in die Küche ein und gaben mir eine halbe Melone oder war es doch eher ein Kürbis. So ganz konnte ich das nicht erkennen  - es schmeckte nicht wirklich süß und war auch noch gesalzen. Egal – ich musste es essen – man kann ja nicht die Gastfreundschaft mit Füßen treten. Auch dort durfte ich problemlos Fotos machen. Wieder zurück beim Delhi Gate suchte ich Sorry – er hatte das Auto in der Nähe geparkt. Wir machten uns danach auf den Weg nach Deshnok zum Karni Matala Tempel – oder besser gesagt – den Rattentempel. Sorry brachte mich zum Haupteingang, der hauptsächlich für Inder gedacht war und nicht zum Touristeneingang. Ich hatte das Pech, dass heute auch noch irgendein Fest war, zu dem tausende Inder kamen. Die Schlange reichte weit bis auf den Vorplatz des Tempels. Ich fragte einen Wachmann ob es für Touristen einen anderen Eingang gäbe – klar gibt es, auf der anderen Seite. Also um das tempelding herum, quer durch den Hof eines Privathauses, sonst hätte ich auch noch um einen Block gehen müssen – die Schlange ist viel kürzer, aber auch hier drängen sich Inder. Eine Gruppe Franzosen hat sich mir angeschlossen und wir drängen uns rein. Es wird gerempelt und gestoßen – wir sind im Vortempel. Na super jetzt müssen wir nur noch in die Hauptschlange rein und dann in den Haupttempel. Wieder stürzen wir uns ins Gedränge und werden geschoben und schieben selber. Ich lehne mich einfach nach vorne. So kann ich nicht umfallen und mich auch keiner zurückschieben. Kurz vor dem kleinen Durchgang in den Tempel, maulen uns die Frauen an, dass wir in der Frauenschlange stehen. Hat mich gewundert, dass hier so viele Frauen aber doch auch ein paar indische Männer waren. Mach dir nicht in den Sari – sonst pinkelst du mich auch unweigerlich an – so dicht ist das Gedränge. Wenn du glaubst dass ich jetzt wieder rausgehe, hast du dich getäuscht. Erstens ginge es fast nicht und zweitens will ich es ganz sicher nicht. Nun blökt mich auch noch ein Polizist an – ich drücke ihm beide Kameras in die Hand und klettere über die Absperrung, die Männlein Inder von Weiblein Inder trennt – hat genau keinen Sinn, weil nach dem Haupteingang ist die Sache wider gemischt. Das Anstehen oder besser gesagt Reindrängen – ist wie ein Workout in einer Sauna – es geht extrem auf den Kreislauf. Einige Frauen sind dem Kollaps nahe und drängen wieder raus. Sie schauen nicht gut aus. Mich würde es nicht wundern, wenn hier heute jemand einen Herzinfarkt kriegt. Endlich im Rattentempel. Von den Tausenden Ratten sieht man keine hundert. Hin und wieder huscht eine todesmutig über den Boden zwischen tausenden Inder und ein paar Touribeinen durch. Ach noch was – die Schuhe muss man vor dem Tempel ausziehen – man geht also barfuß über Marmor, der mit Getreide und Rattenkot übersät ist. Ist eine Gute Taktik – durch das Getreide weiß man nie, ob man gerade auf Rattenscheiße tritt oder nicht. Ich würde gerne wissen, wie viele Ratten heute hier zu Tode getrampelt wurden. Die Einheimischen versuchen eine der knapp 10 weißen Ratten zu erblicken, was besonderes Glück verheißen soll. Ich würde vor dem Tempel LSD verkaufen, dann sehen sie sogar rosa Ratten – das wäre dann ein Dreifach-Jackpot im Lotto kombiniert mit einem lebenslangen Gratis Abo der Kirchenzeitung. Jawolll… Ich schreib heute einen Businessplan. Im Tempel selbst, saufen ein paar Ratten Milch aus großen Schüsseln. RAUS aus dem Gewusel. Wie die Göttin Durga zu der Rattenehre kam. Ist mir ein Rätsel. Die muss wahrscheinlich Shiva oder Wischnu in die Suppe gekotzt haben.
Weiter nach Bikaner – sollte in einer halben Stunde erledigt sein. Ich schreib grad im Auto den Reisebericht – so habe ich am Abend länger Zeit.
Einen Vorteil hatte das Fest beim Rattentempel – man sah echt nicht, ob man gerade im Begriff war eine Ratte zu zertrampeln oder nicht. Ekelige Drecksviecher. Hier gehören ein paar ausgehungerte Norwegische Waldkatzen rein und der Tempel ist in einem Monat sauber. Die Milch würde die Katzen sicher auch nicht verachten.
Bikaner – bei der Ankunft ist es schon dunkel und ein richtiger Dunst liegt über der Stadt. Einen sternenklaren Himmel werde ich hier wohl nicht finden. Ich checke im Hotel ein und fahre mit einem Lift, der aus einem Agatha Christie Roman stammen könnte, in den zweiten Stock. Quietschend schließt der Liftboy die zwei Scherengitter, die uns von dem Abgrund trennen. Der Lift setzt sich schneckengleich in Bewegung. Ich geh hier nur mehr zu Fuß.
Später gehe ich in die Lobby und frage, ob sie mir ein Restaurant außerhalb empfehlen können. „No can’t eat outside. Have to eat here.“ – Have to gibt es bei mir nicht. Ich erkläre energisch, dass ich sicher nicht im Hotel essen werde und schon gibt es Alternativen. Sie wollen mir klar machen, dass es draußen dunkel ist. Ich meine nur – „Can you come with me? I am afraid alone in the dark!“ Sie haben es geschnallt, dass mich die schwarze Luft nicht abhält raus zu gehen. Ich esse eine Kleinigkeit und gehe noch eine Runde spazieren. Morgen nehme ich die Kameras mit – da habe ich ein paar interessante Motive entdeckt.