Um 0700 auf, Büroalltag, Mails checken und ein paar Sachen für die Firma
erledigen, dann den Krempel in den großen Rucksack packen, damit ich auch den
Laptop mitnehmen kann – ich muss ja noch eine Spezifikation fertig schreiben.
Um 0945 wartet Sorry – pünktlich! Wir fahren nach Pushkar. Ich sage ihm, dass
er mich beim Uhrturm rauswerfen soll und ich am Abend selber ein Tuktuk zurück
nehme. Unterwegs herrscht Stop and Go Verkehr. Am Straßenrand läuft eine junge Frau, zieht sich den Kittel bis über
den Nabel hoch und pisst im Stehen auf die Straße – ja da schaust – da war
sogar ich zu langsam. Das Bild ist zum Schmeißen. Jetzt verstehe ich, warum
ganz Pushkar wie ein riesiges Urinal duftet. Mhhh lecker… Pfui Teufel – da
fällt mir wieder ein Artikel in der Delhi Post ein, den ich im Flieger nach
Jaipur gelesen haben – dort stand: In Indore rüsten sie Kinder mit
Trillerpfeifen aus. Sie sollen pfeifen, wenn sie jemanden sehen, in der
Öffentlichkeit seine Notdurft verrichten.
Na Klasse – laut dem Artikel scheißen 600 Millionen Inder einfach in die
Botanik! Irgendwie schon Scheiße – oder? Die Regierung hat ein Programm
gestartet, dass in 4 Jahren jeder Haushalt eine Toilette bekommen soll – es
gibt dann also 600 Millionen Heimscheißer mehr – und die Naturisten werden
sicher einen Club gründen und im Geheimen weiter hinter die Büsche oder aber
auch auf die Straße kacken.
Beim Uhrturm angekommen bin ich kaum aus dem Auto draußen als mich schon
ein junger Mann anquatscht und fragt – Do you want massage? So wie der mich
fragt, ist das aber nicht nur eine Massage – nein danke – kein Bedarf an einer
grindigen Straßenkackerin. Nein mir wird übel.
Rund um den Uhrturm sind hordenweise Sadhus und ich tobe mich
fotografisch aus. Money, money, money – ich bin nicht die Moni – ich bin der
Alex! Ich gehe über den Sikh Tempel in die Mainstreet von Pushkar. Es ist
brechend voll mit Einheimischen und ein paar Touris. Im Großen und Ganzen
drängt sich ein Handicraft shop an den nächsten. Irre – irgendwie ist Pushkar
fast beschaulicher als Kathmandu, weil weniger Touristanabzocke herrscht und
mehr Einheimische Touristen als Ausländer unterwegs sind. Die Geschäftsleute
sind auch nicht so lästig wie in Kathmandu – Come to my shop – hört man so gut
wie nie. Sadhus – ja in allen Variationen. Rauchend, schlafend, Chai trinkend
oder nur faul da liegend – ich bin in meinem Element. Weiter geht es durch die
Stadt zur Arena – Kühe werden prämiert (die mit vier Hufen!) Sind für indische
Verhältnisse echt riesig.
Über den Pferdemarkt gehe ich ans untere Ende des Festgeländes und nehme
mir wieder ein Tuktuk zum Uhrturm. Dem Tutktuk Kutscher Uhrturm zu erklären
wird eine Challenge. 100 Rupee – fahr bis ich stopp sage – ist in der Nähe vom
Sikh Tempel. Er will 200 – ich gehe weiter – 150 – don’t waste my time – 100 –
Okay okay… und wir knattern los. Ich schaffe es echt zum Uhrturm. Wieder Sadhus
– ich gehe weiter Richtung Sikh Tempel. Es gibt Reispudding – der ist um Ecken
besser als der gestern Abend im Hotel. Bei einem Barbier mache ich Halt und
lasse mich rasieren – das können die Inder – ist eigentlich fast eine Zeremonie
was sie da aufführen. Fünf Minuten mit dem Pinsel einseifen, einmal mit dem
Messer rasieren, wieder einseifen, mit einer neuen Klinge noch einmal rasieren,
dann Peeling, Gesichtsmassage und waschen. Danach mit Alaun abreiben und mit
einem Rasierwasser einduften. Eine Creme drauf und noch Puder – das müsste
nicht sein – aber was soll es. 45 Minuten später bin ich fertig. Ich gehe in
ein Internetkaffee, esse einen Salat und schreibe die Spezifikation fertig. Das
Internet in Pushkar ist überlastet und zusammengebrochen – kann man auch nichts
machen. Zwei Stunden später gehe ich weiter zum Markt. Die Sonne geht gerade
unter und ich mache ein paar geniale Fotos von den Riesenrädern – auch
Langzeitbelichtungen mit Graufilter – sind echt super geworden. Jetzt warte
ich, dass es noch dunkler wird – will ich doch noch ein paar
Langzeitbelichtungen vom Rummel machen.
Wenn ich Pushkar heute mit dem Pushkar von 2002 vergleiche, dann hat es
alles von seiner damaligen Beschaulichkeit verloren. Es ist mehr ein hektischer
Rummel geworden – ein Ibiza für Inder – mit einer Briese Urin in der Luft. Quo
vadis India? Ist das wirklich ein Fortschritt? Dass darf ich bezweifeln. Aber
ich muss ja nicht hier leben und kann so nur meine eingeschränkte Meinung
wiedergeben. Vermutlich trägt aber auch das Fest dazu bei, dass das
verschlafene Nest zu einer Sinnesexplosion wird. Überall dröhnt Hindipop – aus
Lautsprechern und Blechkonserven – Hauptsache schön laut. Yes –
it’s Mela time – shake your ass and move your feet.
Auf zu den Lichtern. Die Riesenräder noch mittel Langzeitbelichtung
fotografiert und mit dem Tuktuk zurück zum Hotel gefahren.
Auf dem Markt selbst merkt man, dass die Stimmung unter den Viehhändlern
schon nachlässt und eher deprimierter wird, je näher das Ende des Marktes kommt,
sind ja jetzt nur noch die Ladenhüter zu haben und diese will anscheinend
niemand oder zu einem Preis, zu dem die Händler nicht bereit sind, ihre Tiere
herzugeben. Da hängt oft das Schicksal einer Familie daran, wenn ein kleiner
Viehzüchter seine drei Pferde verkaufen will und diese nicht oder nur zu einem
schlechten Preis, los wird.