Heute war ich schlauer und bestellte Fahrer und Guide eine Stunde vor
Öffnung des Forts zum Hotel, wollte ich ja noch eine SIM Karte kaufen. Der
Führer – Anand – ich nenne ihn liebevoll Amanda – kann sehr gut Englisch und
kennt sich echt aus. Schnell hat er verstanden was mir gefällt und was mich
nicht interessiert. Am Nachmittag sollte sich herausstellen, dass er der
Präsident der Führervereinigung von Bikaner war – sozusagen der Führer der
Führer. Auf zu einem Handyladen – der liegt auf dem Weg zu einem Jain Tempel
von 1565. Auch gut – schauen wir noch einen alten Tempel an. Der Handyladen ist
zu – na was soll‘s, wir müssen auf der Rückfahrt eh wieder vorbei. Zum Tempel
ist zu sagen, dass zwei Brüder – Butterproduzenten – um 1560 diese zwei Jain
Tempel bauen ließen. Sie sind mit einzigartigen Fresken ausgestattet, von denen
man nicht genau sagen kann, wie ordentlich sie, nach europäischen Maßstäben
beurteilt, renoviert wurden. Später mehr dazu. Der Tempel liegt auf einem
Hügel, in der Altstadt vom ersten Bikaner, umgeben von den Resten einer großen
Stadtmauer, die heute leider zur Gewinnung von Baumaterial missbraucht wurde
und die teilweise, wegen der schönen Aussicht, Häusern weichen musste. Die
Tempel sind immer noch in Privatbesitz und gehören den Nachfahren der
Butterproduzenten, die heute den Wollmarkt in Indien dominieren. Nur der
Haupttempel ist für die Öffentlichkeit zugänglich, ich wäre aber nicht in
Indien, wenn ich nicht auch in den kleinen Tempel kommen würde. Der Haupttempel
ist mit Fresken übersät. Es ist ein opulenter Augenschmaus. Drinnen ist ein
Priester, der irgendwelche Rieten vollzieht und uns dann bereitwillig in den
kleinen, rein privaten, Tempel mitnimmt. Hier haben sie die Kuppel komplett neu
gebaut und werden die Fresken vom Großen kopieren – auf meine Frage, ob der
früher auch schon Fresken hatte – ja die gleichen, nur die waren nicht mehr
schön und die Kuppel auch nicht mehr gut – also abreißen, mit Stahlbeton neu
bauen und einfach wieder anpinseln – das nennt man nicht renovieren, sondern
eine Generalsanierung oder einen fast Neubau. Manchmal muss man sie nicht
verstehen – oder? Gefühl für Kultur ist hier echt nicht vorhanden. Nicht einmal
bei Milliardären.
Neben dem Jain Tempel ist noch ein Hindutempel. In dem darf man nicht
fotografsieren, keine Taschen oder Lederwaren mitnehmen und die Schuhe muss man
auch ausziehen. Also darf ich über einen marmorgetäfelten Platz voll mit
Taubenscheiße stapfen und gehe in den Tempel. Der Torwächter krallt sich sofort
an mir fest und erklärt mir alles – ja danke – echt toll. Das hätte ich alleine
auch hinbekommen. Am Eingang gebe ich ihm 100 Rupees – mehr als genug – weil
was war eigentlich seine Leistung? Er Fragt mich unverschämt, ob ich nicht 20
USD hätte – mach dich vom Acker, sonst kannst die nächsten Touris auf Krücken
durch den Tempel führen.
Wir fahren zurück zum Handyladen – zu – weiter in die Neu Stadt – die
ist 1625 gegründet worden, da wurde auch das große Fort gebaut. In Bikaner
gehen wir zum Hauptquartier von Vodafone. Ich habe eine Kopie meines Passes und
Visums dabei, doch der Verkäufer denkt er hat noch einen Joker im Ärmel und
meint – er brauche auch ein Passbild von mir. Oh shit – jetzt muss ich raus zum
Auto, ist in der Fototasche. Da staunt auch Amanda nicht schlecht. Formular
ausfüllen, Stempel da, Stempel dort. Fax vom Hotel, dass ich dort wohne und
schon habe ich eine SIM – Prepaid für 93 Rupees – oder besser gesagt – 95
Rupees, weil sie kein Kleingeld zum Rausgeben haben. Das passt für so einen
Laden nicht! SIM Cutter – nein was ist das – das haben wir nicht. Gutscheine
zum Aufladen eines Guthabens – kriegst du auch nicht bei uns, die kriegt man in
jedem Laden in der Stadt. Super – service is our success. Ich werde eher an ein
Adventure Game erinnert, als an einen Mobilfunkanbieter des 21JH. Wir fahren
zum Fort und schauen dieses an. Hier sind nur die wirklich schönen
Steinschnitzereien zu erwähnen. Einer der letzten Maharajas von Bikaner war ein
richtiger Philanthrop – er hat Exponate aus aller Herren Länder und war der
einzige Inder, der den Friedensvertrag von Versailles nach dem ersten WK
unterschrieb.
Nach dem Fort brachte mich Amanda zu zwei Handycraft Emporien – einen
Decken Heini und einen Miniaturmaler – der war spannend – ich unterhielt mich
mit ihm über eine Stunde über Kunst, wie er die Dinge interpretiert, dass er
nicht die alten Sachen abkupfern will, sondern neue Sachen schaffen – ist ein
interessanter Ansatz, wenn auch mir seine Ergebnisse nicht immer gefielen –
beispielsweise einen altenindischen Musiker mit antikem Musikinstrument,
Mikrophon und Lautsprecher – na ja. Das wird wohl ein Ladenhüter werden. An seinen
Miniaturmalereien arbeitet er im Schnitt 40 Stunden. Kosten tun die Dinger dann
rund 200-200€. Ich zeige ihm ein paar Fotos auf meinem Handy und werde ihn fast
nicht mehr los. Er ist von den Buntstift Tropfenfotos und von der brennenden
Stahlwolle fasziniert. Ich bekomme aber langsam Hunger und will los zum
Mittagessen – kurz darauf gelingt es mir auch mich loszureißen und essen zu
gehen. Sorry bringt mich noch zurück zum Hotel und ich erledige ein paar
Arbeitsdinge. Später gehe ich auf eigene Faust in die Stadt und laufe einem
Jungen Inder in die Arme, der angibt für eine NGO Organisation zu arbeiten. Mir
wurscht – darfst ja mitgehen. Er zeigt mir den Gewürz- Stoff- und Gemüsemarkt.
Wir steigen auf das Dach eines alten Havellis und ich sehe einige spannende
Dinge. Er will mir noch seinen Arbeitsplatz zeigen – gut ich habe Zeit – und
nun kommt der Pferdefuß – wieder lande ich bei einem Patchwork Decken Heini –
aha NGO. Der hat aber echt interessante Sachen. Unter anderem Decken aus alten
Rajputen Kleidern oder muslimischen Brautkleidern. Schaut toll aus – kostet
aber auch dementsprechend.
Tee trinken mit dem Händler, etwas quatschen und ab zum Abendessen. Das
Rajputending habe ich nach zähen Verhandlungen erstanden und mir ins Hotel
schicken lassen – warum soll ich was selber tragen, dass mir jemand zustellen
kann? Ich bin ja in Indien. Die Visitenkarte vom Laden habe ich mit. Am Abend
esse ich ein Tandori Huhn – schmeckt gut ist aber nicht all zu groß. Auf dem
Weg zurück zum Hotel will ich noch ein paar Dinge, darunter ein Haus, das wie
ein alter Palast aussieht, fotografieren. Es ist beleuchtet und schaut ganz
toll aus. Zuvor stelle ich mein Stativ auf und mache ein paar Fotos von einem
Baum, der mitten auf einem großen Platz steht – Jeder, der vorbei kommt fragt
in mehr oder weniger gutem Englisch: What are you doing here? – ich heul den
Mond an – heute ist ja Vollmond was sonst? Langsam nerven sie. Weiter zum Haus
– wieder dasselbe Procedere. Stativ
aufgestellt – und los. Da kommt ein Knacker auf einem Rad daher und
quatscht mich von der Seite an – Do you have permission? Ich ignoriere ihn. Er
wird lauter und lauter. Nach dem fünften do you have permission – er will ja
nur Kohle haben – schrei ich ihn an – yes – do you want to see it? Und halte
ihm Das Pfefferspry unter die Nase. Sofort ist Ruhe. Ich lass mich von so einem
Heini nicht abzocken – sicher nicht. Wie
es sich dann später herausstelle, war das Gebäude das Polizeihauptquartier.
Frechheit siegt.
Um 2130 ist noch nichts vom Shop gekommen. Ich rufe in der Lobby an und
erkläre, das a package from a shop should be there form e – one moment will
send to your room. 3 Minuten später steht ein Inder mit einer Decke und Seife
vor der Tür – you need blanket and soap – fragt er mich. Wollt ihr mich
verarschen? Ich gehe in die Lobby und lasse den Heini anruifen – Sorry will
come in 5 Minutes. Wieso soll nun mein Fahrer in 5 Minuten kommen – egal,
Hauptsache ich bekomme ein Zeug…
Finally – alles wird gut.