Das Hotel ist ein
alter Raja Palast mit großzügigen Parkanlagen, Pavillons und sogar drei eigenen
Tempeln. Hier muss ich am Nachmittag eine Selfiesession machen. Nach dem
Frühstück wurde ich von Zwickel, dem Guide abgeholt. Ich nenne ihn so, weil er
hinten in seiner Hose einen dreieckigen Zwickel eingenäht bekommen hatte.
Wahrscheinlich hat er um die Taille etwas zugelegt – obgleich er nach wie vor
eher zur Hungerhakenfraktion gehört. Wir fuhren los zum Fort. Unterwegs kamen
wir an den Jain Statuen vorbei, die in den Felsen gehauen waren. Er meinte, die
schauen wir uns am Rückweg an – sicher nicht – jetzt passt das Licht – am Nachmittag
ist die Sonne dazu zu hoch – also STOPP. Die Statiuen stammen alle aus dem
15-16JH. Sie sind in den Sandstein gehauen und gleichen den Buddha Statuen von
Bamijan, die ja die Taliban gesprengt haben, oder dem Buddha von Leshan in
China. Sie sehen auch buddhistisch aus. Mit zwei Unterschieden – die Augen sind
immer weit geöffnet und die Statuen sind nackt – soll heißen, sie haben keine
angedeutete Kleidung an, wie die Buddhastatuen sonst wo. Sie stellen ja auch
nicht Buddha, sondern einen der 24 Jain Heiligen dar. Sie sehen alle gleich aus
– unterschieden werden sie durch das Symbol, das auf dem Sockel eingraviert
ist.
Die größte Statue ist
rund 15m hoch. Leider haben die moslemischen Mogul Herrscher fast alle
Gesichter zerstören lassen. Moslems stellen keien Götzenbilder dar – daher sind
am Taj Mahal auch nur Blumen und geometrisch- oder kalligrafische Ornamente
dargestellt. Leider hat dieser Fanatismus immer wieder seine Spuren
hinterlassen. Seien es nun die Mogulen oder die Chinesische Kulturrevolution
oder die Bücherverbrennungen bei uns. Es gibt zu viele Beispiele dieser
Intoleranz und ignorantem Größenwahn.
Rauf zum Fort – dort
suchte ich den Platz, von dem aus ein Foto gemacht wurde, dass ich über das
Internet gefunden hatte und von dem ich ein ähnliches machen wollte. Ich musste
aber feststellen, dass das Foto ein kompletter Fake ist und es nicht möglich
ist, das Fort von hinten so zu fotografieren, dass hinter dem Fort die Stadt
liegt. Das ginge nur von einem sehr hohen Kran aus und dann würde die
Perspektive für das Fort nicht stimmen.
Beim Eingang stellen
wir fest, dass heute ein Promotion Tag
des ASF – des Archeological Surveys von Indien ist und wir keinen Eintritt
zahlen. Cool… also rein in den Bau. Interessant sind die unterirdischen Säulenhallen,
die als Swimmingpool oder Schaukelraum für die Frauen und danach als Gefängnis
dienten. Weiter ging es zum Zweiten Teil des Forts – dort müsste man als nicht
Inder wieder 250 Rupees Eintritt bezahlen – Inder zahlen 10! Für die Kamera
wären 25 Rupees fällig. Nix da heute ist gratis Mittwoch! Überall rupfen,
zupfen und Kehren Inder herum. Das sei das „Keep India Clean“ Programm von
Premier Modi – meint Zwickel. Plötzlich kommt einer her und beginnt zu
diskutieren. Wegen meiner Kameras. Er kaut Zwickel fast das Ohr ab und fragt
dann mich ob ich permission habe und dass zwar der Eintritt frei sei, nicht
aber die Kameragebühr. Mir platzt der Kragen. So ein Kehrtrottel glaubt wohl,
dass er einen schnellen Rupee nebenbei machen wird. Ich Frage ihn wo seine
Legitimation sei? Er versteht nur Bahnhof. Ich sage I want to see some one
official! Zwickel meint – der arbeitet aber hier. Ich meine, nur weil er den
Boden kehrt ist er nicht einer von der Museumsaufsicht. So nicht. Verarschen
lasse ich mich sicher nicht – das geht gegen meine Prinzipien. Er setzt zu
einem letzten Versuch von Autorität an und sagt in seiner tiefsten Stimme – You
have to pay Camera fee. Ich schnauze ihn an: Show me your legitimation or piss off!
Er ist angepisst und
verpisst sich. Mit diesen Schmähs brauchen sie nicht zu kommen. Darauf reagiere
ich sehr ungut und habe genau null Verständnis für solche Betrügereien!
Im Fort sind
eigentlich nur die alten Wasserreservoirs interessant. Diese sind total veralgt
und zugemüllt. Vielleicht sollte Modi hier mal putzen lassen. Im Hof der Burg
wird emsig gebaut und renoviert. 300 Rupees bekommen die Arbeiter hier pro Tag.
Sie schuften wie die Tiere, mischen Beton, legen Blatten. Frauen arbeiten
genauso schwer wie Männer. Auf ihren Köpfen tragen sie Schüsseln mit Sand und
Schotter zur Mischmaschine, kippen das Zeug staubend in den Mischer. Der Junge,
der die Maschine kontrolliert und Wasser zum Beton gibt, sieht aus wie vom Ku
Klux Clan, so vermummt ist er. Wenn eine Maschine fertig ist, wird der Inhalt
auf eine umgebaute Riksha gekippt. Ein Mann und eine Frau zerren das Ding zu
der Stelle, wo betoniert wird. Alles in Allem eher unmenschliche Zustände.
Einer von den Arbeitern trägt sogar einen Baustellenhelm!
Weiter ging es zu
einem alten Hindutempel. Dem einzigen Nordindiens, der im süd Indischen Stil
errichtet wurde. Er stammt aus dem 9JH und wurde so gebaut weil der lokale
König eine Prinzessin aus dem Süden geheiratet hat. Gegenüber liegt der Sikh
Tempel. Nichts wie hin, der Hunger meldet sich ja schön langsam. Hände waschen,
Füße waschen, Tücherl auf den Kopf… und los. Der Tempel ist zwar recht neu –
stammt aus den 1970gern – ist für die Sikhs aber sehr wichtig. Weil hier irgend
ein besonderer Baba gelebt hat. So kommen scharenweise Sikhs von Nah und Fern.
Eine Gruppe war aus Amritsar da. Als ich ihnen erklärte, dass ich schon beim
goldenen Tempel war und dann am Handy auch noch ein Foto zeigte, war es um sie
geschehen. Ich musste mich setzen – bekam zu Essen und Tee. Es gab Samosas und
etwas Süßes. Nachher musste ich noch alle fotografieren. Sie kommen zweimal im
Jahr zum Tempel und bringen Sackweise Getreide und andere Opfergaben mit.
Schauen wild aus, mit ihren Rauschebärten und den Messern, die oft in ihren
Gürteln stecken. Sind aber sehr zuvorkommende, nette Menschen. Nur ärgern
sollte man sie nicht, sonst wird man kalt gemacht - wie einst Indira Gandhi.
Die hat aber den goldenen Tempel stürmen lassen und wurde daraufhin von ihren
Leibwachen erschossen.
Nach den Tempeln
fuhren wir in die Altstadt von Gwalior. Hier gab es wieder die typischen
Händler, Barbiere und kleine Küchen. Nichts Neues aber trotzdem immer wieder
nette Motive. Sei es nun der Schneider von Gwalior oder der
Erdnussherzverkäufer, hier finde ich immer wieder unzählige Motive. Langsam
hatte ich genug vom Herumlaufen und wollte nur noch die große Mall sehen. Es
gibt tatsächlich so etwas wie ein
Einkaufszentrum. Im Keller ist auch ein Supermarkt. Der hat viel, nur kein Cola
Light – egal. Beim Eingang des Centers werde ich von den Wachen gefragt, was
ich hier wolle? Nicht mit euch reden ist meine Antwort. Auf blöde Fragen gibt
es blöde Antworten! Was wird man wohl in einem Einkaufszentrum wollen?!
Wieder bim Hotel
starte ich die Operation Tempelselfie. Stativ aufgebaut, Fernauslöser in die
Hand und los. Ich posiere in jedem Erker. Werden zwei witzige Bilder. Im Park
laufen Pfaue herum, die sich aber nicht fotografieren lassen und gleich
abhauen, wenn ich mich näher an sie heranpirsche. Egal – ich geh aufs Zimmer
und verarbeite die Bilder, mache Bürokram und schalte den Heizstrahler ein – es
wird tatsächlich kalt in der Nacht.