Donnerstag, 20. November 2014

Tag 19 – 19.11.2014 – Where is your permission?

Das Hotel ist ein alter Raja Palast mit großzügigen Parkanlagen, Pavillons und sogar drei eigenen Tempeln. Hier muss ich am Nachmittag eine Selfiesession machen. Nach dem Frühstück wurde ich von Zwickel, dem Guide abgeholt. Ich nenne ihn so, weil er hinten in seiner Hose einen dreieckigen Zwickel eingenäht bekommen hatte. Wahrscheinlich hat er um die Taille etwas zugelegt – obgleich er nach wie vor eher zur Hungerhakenfraktion gehört. Wir fuhren los zum Fort. Unterwegs kamen wir an den Jain Statuen vorbei, die in den Felsen gehauen waren. Er meinte, die schauen wir uns am Rückweg an – sicher nicht – jetzt passt das Licht – am Nachmittag ist die Sonne dazu zu hoch – also STOPP. Die Statiuen stammen alle aus dem 15-16JH. Sie sind in den Sandstein gehauen und gleichen den Buddha Statuen von Bamijan, die ja die Taliban gesprengt haben, oder dem Buddha von Leshan in China. Sie sehen auch buddhistisch aus. Mit zwei Unterschieden – die Augen sind immer weit geöffnet und die Statuen sind nackt – soll heißen, sie haben keine angedeutete Kleidung an, wie die Buddhastatuen sonst wo. Sie stellen ja auch nicht Buddha, sondern einen der 24 Jain Heiligen dar. Sie sehen alle gleich aus – unterschieden werden sie durch das Symbol, das auf dem Sockel eingraviert ist.
Die größte Statue ist rund 15m hoch. Leider haben die moslemischen Mogul Herrscher fast alle Gesichter zerstören lassen. Moslems stellen keien Götzenbilder dar – daher sind am Taj Mahal auch nur Blumen und geometrisch- oder kalligrafische Ornamente dargestellt. Leider hat dieser Fanatismus immer wieder seine Spuren hinterlassen. Seien es nun die Mogulen oder die Chinesische Kulturrevolution oder die Bücherverbrennungen bei uns. Es gibt zu viele Beispiele dieser Intoleranz und ignorantem Größenwahn.
Rauf zum Fort – dort suchte ich den Platz, von dem aus ein Foto gemacht wurde, dass ich über das Internet gefunden hatte und von dem ich ein ähnliches machen wollte. Ich musste aber feststellen, dass das Foto ein kompletter Fake ist und es nicht möglich ist, das Fort von hinten so zu fotografieren, dass hinter dem Fort die Stadt liegt. Das ginge nur von einem sehr hohen Kran aus und dann würde die Perspektive für das Fort nicht stimmen.
Beim Eingang stellen wir fest, dass heute  ein Promotion Tag des ASF – des Archeological Surveys von Indien ist und wir keinen Eintritt zahlen. Cool… also rein in den Bau. Interessant sind die unterirdischen Säulenhallen, die als Swimmingpool oder Schaukelraum für die Frauen und danach als Gefängnis dienten. Weiter ging es zum Zweiten Teil des Forts – dort müsste man als nicht Inder wieder 250 Rupees Eintritt bezahlen – Inder zahlen 10! Für die Kamera wären 25 Rupees fällig. Nix da heute ist gratis Mittwoch! Überall rupfen, zupfen und Kehren Inder herum. Das sei das „Keep India Clean“ Programm von Premier Modi – meint Zwickel. Plötzlich kommt einer her und beginnt zu diskutieren. Wegen meiner Kameras. Er kaut Zwickel fast das Ohr ab und fragt dann mich ob ich permission habe und dass zwar der Eintritt frei sei, nicht aber die Kameragebühr. Mir platzt der Kragen. So ein Kehrtrottel glaubt wohl, dass er einen schnellen Rupee nebenbei machen wird. Ich Frage ihn wo seine Legitimation sei? Er versteht nur Bahnhof. Ich sage I want to see some one official! Zwickel meint – der arbeitet aber hier. Ich meine, nur weil er den Boden kehrt ist er nicht einer von der Museumsaufsicht. So nicht. Verarschen lasse ich mich sicher nicht – das geht gegen meine Prinzipien. Er setzt zu einem letzten Versuch von Autorität an und sagt in seiner tiefsten Stimme – You have to pay Camera fee. Ich schnauze ihn an: Show me your legitimation or piss off!
Er ist angepisst und verpisst sich. Mit diesen Schmähs brauchen sie nicht zu kommen. Darauf reagiere ich sehr ungut und habe genau null Verständnis für solche Betrügereien!
Im Fort sind eigentlich nur die alten Wasserreservoirs interessant. Diese sind total veralgt und zugemüllt. Vielleicht sollte Modi hier mal putzen lassen. Im Hof der Burg wird emsig gebaut und renoviert. 300 Rupees bekommen die Arbeiter hier pro Tag. Sie schuften wie die Tiere, mischen Beton, legen Blatten. Frauen arbeiten genauso schwer wie Männer. Auf ihren Köpfen tragen sie Schüsseln mit Sand und Schotter zur Mischmaschine, kippen das Zeug staubend in den Mischer. Der Junge, der die Maschine kontrolliert und Wasser zum Beton gibt, sieht aus wie vom Ku Klux Clan, so vermummt ist er. Wenn eine Maschine fertig ist, wird der Inhalt auf eine umgebaute Riksha gekippt. Ein Mann und eine Frau zerren das Ding zu der Stelle, wo betoniert wird. Alles in Allem eher unmenschliche Zustände. Einer von den Arbeitern trägt sogar einen Baustellenhelm!
Weiter ging es zu einem alten Hindutempel. Dem einzigen Nordindiens, der im süd Indischen Stil errichtet wurde. Er stammt aus dem 9JH und wurde so gebaut weil der lokale König eine Prinzessin aus dem Süden geheiratet hat. Gegenüber liegt der Sikh Tempel. Nichts wie hin, der Hunger meldet sich ja schön langsam. Hände waschen, Füße waschen, Tücherl auf den Kopf… und los. Der Tempel ist zwar recht neu – stammt aus den 1970gern – ist für die Sikhs aber sehr wichtig. Weil hier irgend ein besonderer Baba gelebt hat. So kommen scharenweise Sikhs von Nah und Fern. Eine Gruppe war aus Amritsar da. Als ich ihnen erklärte, dass ich schon beim goldenen Tempel war und dann am Handy auch noch ein Foto zeigte, war es um sie geschehen. Ich musste mich setzen – bekam zu Essen und Tee. Es gab Samosas und etwas Süßes. Nachher musste ich noch alle fotografieren. Sie kommen zweimal im Jahr zum Tempel und bringen Sackweise Getreide und andere Opfergaben mit. Schauen wild aus, mit ihren Rauschebärten und den Messern, die oft in ihren Gürteln stecken. Sind aber sehr zuvorkommende, nette Menschen. Nur ärgern sollte man sie nicht, sonst wird man kalt gemacht - wie einst Indira Gandhi. Die hat aber den goldenen Tempel stürmen lassen und wurde daraufhin von ihren Leibwachen erschossen.
Nach den Tempeln fuhren wir in die Altstadt von Gwalior. Hier gab es wieder die typischen Händler, Barbiere und kleine Küchen. Nichts Neues aber trotzdem immer wieder nette Motive. Sei es nun der Schneider von Gwalior oder der Erdnussherzverkäufer, hier finde ich immer wieder unzählige Motive. Langsam hatte ich genug vom Herumlaufen und wollte nur noch die große Mall sehen. Es gibt  tatsächlich so etwas wie ein Einkaufszentrum. Im Keller ist auch ein Supermarkt. Der hat viel, nur kein Cola Light – egal. Beim Eingang des Centers werde ich von den Wachen gefragt, was ich hier wolle? Nicht mit euch reden ist meine Antwort. Auf blöde Fragen gibt es blöde Antworten! Was wird man wohl in einem Einkaufszentrum wollen?!

Wieder bim Hotel starte ich die Operation Tempelselfie. Stativ aufgebaut, Fernauslöser in die Hand und los. Ich posiere in jedem Erker. Werden zwei witzige Bilder. Im Park laufen Pfaue herum, die sich aber nicht fotografieren lassen und gleich abhauen, wenn ich mich näher an sie heranpirsche. Egal – ich geh aufs Zimmer und verarbeite die Bilder, mache Bürokram und schalte den Heizstrahler ein – es wird tatsächlich kalt in der Nacht.